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Christina EhratModerator
Es geht hier um eine vollkommen neue Ausbildung. Die bestehende Ausbildung schliesst nicht lückenlos an die Zweitausbildung und hat zudem keinen Zusammenhang mit dieser. Der Kindsvater ist nicht mehr zahlungspflichtig und damit kann auch keine Alimentenbevorschussung gewährt werden.
November 30, 2023 um 11:12 am als Antwort auf: Volljährigenunterhalt – EBA / EFZ bei IV-Eingliederung #281Christina EhratModeratorAntwort zu Frage 1:
(Cyril Hegnauer, Berner Kommentar, N. 72 ff. zu Art. 277 ZGB): Eine weiterführende Ausbildung gehört dann zur Grundausbildung, wenn diese die Grundausbildung erweitert, vertieft oder zwingend alternativ vorausgesetzt ist.
Im geschilderten Fall ist der Sohn in einer EBA Ausbildung. Die EFZ ist keine Zweitausbildung sondern eine Weiterführung der Grundausbildung, da sie die bestehende Ausbildung erweitert bzw. die erhaltene Ausbildung vertieft. Es ist zwar zutreffend, dass das Berufsattest (EBA) grundsätzlich die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt erlaubt. Wird jedoch die Ausbildung bis auf Ebene EFZ in derselben Branche verlängert (Fähigkeit eine Ausbildung auf Ebene EFZ zu bewältigen; grössere berufliche Aussichten, wenn die Ausbildung einmal abgeschlossen ist), gilt dies als Erstausbildung.
siehe auch: https://www.gerichte-zh.ch/fileadmin/user_upload/entscheide/oeffentlich/RT180035-O2.pdf
Frage 2: Gelten Rentenleistungen der IV auch als Einkommen?
Ja. (vgl. dazu Wegleitung über die Renten (RWL) in der Eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung Gültig ab 1. Januar 2003 Stand: 1. Januar 2023, Randzimmer 3365: «Als Ausbildung gelten grundsätzlich auch von der IV gewährte Eingliederungsmassnahmen beruflicher Art, sofern sie, wie beispielsweise die erstmalige berufliche Ausbildung, systematisch das für eine spätere Erwerbstätigkeit nötige Wissen und Können vermitteln.»)
Christina EhratModeratorGrundsätzlich sind die Eltern nach der Volljährigkeit nur weiter verpflichtet Unterhalt für ihre Kinder zu leisten, wenn diese einer Erst-Ausbildung nachgehen. Vorliegend kann die Klientin offenbar langfristig keine Ausbildung machen und auch keiner Arbeit nachgehen, weshalb tatsächlich die Sozialhilfe die notwendigen Lebenskosten für die volljährige Person übernehmen muss.
Nimmt die Klientin ihre Ausbildung wieder auf, ist ebenfalls davon auszugehen, dass die Eltern wieder Unterhalt zahlen müssen, sofern die Ausbildung nicht abgeschlossen wurde. Es liegt nur ein erster Schritt in der Erstausbildung vor.
Exkurs in die Sozialhilfe:
Im vorliegende Fall wird beim Kind, welches nicht mehr in der Lage ist, eine Ausbildung zu machen, von der IV geprüft, ob Anspruch auf eine IV-Rente besteht. Wird dieser Antrag gutgeheissen, werden die IV-Rentenleistungen rückwirkend auf die Gesuchstellung gewährt. Während geprüft wird, ob die Klientin eine IV-Rente erhält, ist weiterhin Sozialhilfe zu gewähren. Wird in einem späteren Zeitpunkt eine IV-Rente gesprochen, würde diese rückwirkend auf die Anmeldung berechnet und der Betrag, der den Zeitraum der Sozialhilfe umfasst, an die Sozialhilfebehörde ausbezahlt (sehr vereinfacht ausgedrückt). Den Betrag, der die Sozialhilfe übersteigt, wird die Klientin erhalten.Falls die Eltern in günstigen finanziellen Verhältnissen leben, können sie gestützt auf Art. 328 Abs. 1 ZGB unabhängig davon ob eine Unterhaltspflicht besteht, dazu verpflichtet werden, ihr erwachsenes Kind zu unterstützen. Gemäss den Richtlinien der SKOS sind gute finanzielle Verhältnisse bei einem 1-Personen-Haushalt ab einem monatlichen steuerbaren Einkommen von Fr. 10’000.– und bei einem 2-Personen-Haushalt ab Fr. 15’000.– anzunehmen. Dabei ist pro Kind ein Zuschlag von Fr. 1’700.– pro Monat zu berücksichtigen. Vermögensseitig werden günstige finanzielle Verhältnisse ab einem steuerbaren Vermögen von Fr. 250’000.– (1-Personen-Haushalt) bzw. Fr. 500’000.– (2-Personen-Haushalt) angenommen, wobei pro Kind ein Freibetrag von Fr. 40’000.– hinzugerechnet werden muss.
Christina EhratModeratorGrundsätzlich gibt es Ausbildungen, die eine Vorausbildung als Bedingung haben. Man kann beispielsweise nur Polizist werden, wenn man vorher eine Lehre absolviert hat. Bei solchen Ausbildungen müssen die Eltern bis zum Abschluss der eigentlichen Ausbildung zahlen, wenn dies der Berufswunsch ihres Kindes war. Entscheidet sich das Kind jedoch nach der ersten Ausbildung um und wählt eine neue, wird dies nicht als eine Ausbildung betrachtet.
Gemäss der Webseite über EBA und EFZ baut das EFZ auf das EBA auf. Das EBA ist ein Teil des EFZ und könnte daher grundsätzlich als eine Ausbildung verstanden werden.
Eine Ausbildung ist erst dann abgeschlossen, wenn das Berufsziel des Kindes erreicht ist. Oft ist nicht klar, ob das Berufsziel nur die Mindestausbildung war oder nicht. Meist wird mit der zweijährigen Lehre angefangen, um zu schauen, ob der Jugendliche die nötigen Ressourcen für eine bessere Ausbildung hat. Das Ziel ist daher vermutungsweise von Anfang an die höhere Ausbildung. In diesem Fall müsste der Vater weiterhin für seinen volljährigen Sohn bezahlen.
Der Sohn wird wohl nicht umhin kommen, mit seinem Vater um Unterhaltsforderungen zu streiten bzw. sich zu einigen. Der Vater wird vermutlich auch streiten wollen, weil dieser endlich nichts mehr zahlen will. Es könnte aber in der Praxis helfen, wenn die Alimentefachstelle beiden Parteien die Rechtslage näher bringt und diese damit eine Grundlage haben, sich zu einigen. Hilfreich kann auch sein, den Sohn an den «rote fade» zu verweisen. Dort gibt es Rechtsanwälte, welche ihm bei der Geltendmachung seiner Ansprüche unterstützen und ihn auch allenfalls vor Gericht vertreten können. So ganz ohne rechtliche Unterstützung ist es für einen jungen Erwachsenen schon hart, sich gegen seinen Vater durchzusetzen. Auch das Arbeitersekretariat könnte dem Sohn rechtlich helfen.Christina EhratModeratorNein.
Urteile stellen grundsätzlich einen definitiven Rechtsöffnungstitel im Vollzugsverfahren dar und ist der Unterhalt nicht klar bzw. an Bedingungen geknüpft, ist es schwierig, diese Bedingungen durch Urkunden so zu belegen, dass sie einem Rechtsöffnungstitel gleichkommen.
Eine zwangsweise Durchsetzung ist daher zu diese Zeitpunkt nicht möglich. Der Klientin ist zu raten, mittels Herausgabeklage vom Kindsvater die monatlichen Lohnabrechnungen vorzulegen und dann das Gericht aufzufordern, den Unterhalt rückwirkend in Zahlen festzulegen. Dann kann die Forderung in der Schweiz durchgesetzt werden.
Christina EhratModeratorIch gehe davon aus, dass der Unterhalt gemäss Scheidungsurteil (oder einen anderen Rechtstitel) jeweils auf den 1. des jeweiligen Monats geschuldet war. Die Unterhaltszahlung fällt daher mit dem Tod des Schuldners zusammen und es fragt sich, ob der Tod am 1. Mai mehr Gewicht hat, als die Fälligkeit der Forderung.
Ganz allgemein bedeutet Fälligkeit der Anspruch des Gläubigers, die Leistung auf Unterhaltszahlung zu verlangen. es ist dabei meist davon auszugehen, dass damit die erste Minute des Tages bereits die Fälligkeit auslöst, weshalb der Tod des Kindsvaters am 1. Mai 2023 somit die Fälligkeit der Forderung nicht mehr tangiert. Die Zahlung der Unterhaltsleistungen an das Kind durch die Alimentenfachstelle war korrekt.
Zur Ergänzung ist darauf hinzuweisen, dass die Waisenrente erstmals auf den Folgemonat nach dem Tod beantragt werden kann. Vorliegend kann die Kinderrente daher erstmals auf den 1. Juni 2023 erfolgen.
Alle durch die Alimentenfachstelle vorgeleisteten Unterhaltszahlungen sind nun gegen das Erbe des Kindsvaters zu richten.
Liebe Grüsse
Christina
- Diese Antwort wurde vor vor 1 years, 6 months von Christina Ehrat bearbeitet.
Christina EhratModeratorLiebe Silvana
Gemäss Handbuch dürfen freiwillige Zuwendungen wie Geschenke nicht zum Einkommen hinzu gezählt werden:
3.2.5 Nicht berechenbare Einkommen
Nicht zum Einkommen gerechnet werden dürfen Kinderunterhaltsbeiträge, um deren Bevorschussung nachgesucht wird, Sozialhilfeleistungen, individuelle Prämienverbilligungen (IPV), Ergänzungsleistungen zur IV (EL) , freiwillige Zuwendungen und Stipendien sowie der Ausbildungslohn minderjähriger, unterhaltsberechtigter Kinder, bis zu einer Höhe von Fr. 400.– pro Monat (§ 9 Abs. 3 AmbVO).Ich verstehe aber Deine Frage: Bei Zuwendungen wird allein auf die freiwillige Übertragung auf den Beschenkten abgestellt. Was die Klientin mit der Zuwendung macht, ist beim Geschenk unerheblich und kann vom «Schenker» auch nicht beeinflusst werden. Es wird daher immer von einer «kleinen Zuwendung» ausgegangen, die das Leben des Beschenkten nicht gross beeinflusst. Dies Geschenke hier aber ist sehr hoch und dienen klar dazu, dass die Klientin «Rechnungen bezahlen» kann. Sie lebt somit über ihren Verhältnissen und ihr gesamtes Leben wird damit besser. Die «Zuwendungen» haben damit eher den Sinn, das tiefe Einkommen der Klientin gegenüber dem hohen Lebensstandard auszugleichen, was als Einkommen zu verstehen wäre. Dennoch…
Die Zuwendungen der Verwandten und Bekannten sind keine regelmässigen Zahlungen und die Klientin hat auch nichts dafür getan. Sie hat demzufolge auch keine Garantie, dass diese Zuwendungen weiterhin gewährt werden und ist damit auf die Alimentenbevorschussung angewiesen.
Es ist schön, dass Verwandte und Bekannte eine alleinerziehende Mutter unterstützen. Das hebt jedoch den Anspruch auf Alimentenbevorschussung nicht auf und kann daher auch bei der Anspruchsberechnung nicht berücksichtigt werden.
Ich hoffe, das hilft Dir weiter.
Liebe Grüsse
Christina
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